MEINUNG
„Mischling“, „Half-Cast“, „Mulatte“ – alle diese Worte sind problematisch. Sie existieren dennoch und werden nicht nur zur Beleidigung verwendet, sondern auch von vielen Menschen mit einem weißen und einem Schwarzen Elternteil als Eigenbezeichnung genutzt – mit Recht.
Schwarz, mit großem S als politischer Begriff, ist wichtig. Er zeigt, dass uns nicht unsere Hautfarbe anders macht, sondern die Erlebnisse, die wir teilen. Wir erleben Rassismus, werden von vielen Dingen ausgeschlossen und haben einige Gemeinsamkeiten, über die wir als Gruppe besser sprechen können. Auch „mixed people“ werden mit all diesen Dingen konfrontiert. Allerdings gesellen sich hier noch weitere Ebenen hinzu. Wir wissen, dass wir aufgrund unserer meist etwas helleren Hautfarbe anders und in einigen Fällen besser behandelt werden, als Menschen mit dunklerer Haut. Allerdings haben wir eine Menge anderer Probleme und Erlebnisse, die uns die Nähe Gleichgesinnter suchen lassen. Denn der Spruch „Too black for the white kids, too white for the black“ ist bei vielen Menschen Programm.

Angeblich sind „mixed“ people die Zukunft
NICHT SCHWARZ GENUG
Nicht nur Weiße Menschen behandeln uns anders, auch Schwarze Menschen sehen uns wahlweise als zu ihnen gehörig (wenn wir etwas kluges sagen) oder als fremd (wenn wir etwas weniger kluges sagen). Wir sind für viele Schwarze nicht wirklich Schwarz – oder sogar weiß. Wenn man in der Kultur des weißen Elternteils aufgewachsen ist, verstärkt sich diese These. Man hat den Eindruck, oft erst beweisen zu müssen, zu ihnen zu gehören. Dinge, wie die Ebony-Cover Debatten, um Stars wie Zendaya oder Jesse Williams, zeigen, dass sich nicht alle Schwarzen Menschen gerne von „mixed people“ repräsentieren lassen wollen – besonders wenn es um Themen wie Black Lifes Matter geht. Auch Alicia Keys kennt den Kampf um Anerkennung in der Schwarzen Community und bringt ihn sogar in ihre Rolle in der US-Hitserie „Empire“ ein. Beim Afrofriseur zahlt man gerne mal 200€ für einen Hairstyle, der bei anderen Schwarzen 70€ kosten würde, nur weil man Tochter der weißen Frau ist, die 300€ für Rastazöpfe hinblättern muss. Dabei geht es nicht um die Haarstruktur, sondern um den Umstand, dass man doch irgendwie als weiß angesehen wird und diesen Preis wohl auch noch zahlen kann.
Außerdem ruft dieses Thema auch immer Kritiker auf den Plan, die vom „mischen“ nichts halten und damit „nicht in Ordnung gehen“. Wie kann man damit „nicht in Ordnung gehen“, wenn ein Mensch geboren wird? Diese fragwürdigen Personen gibt es auf der Schwarzen und der weißen Seite – bei der dies wohl nationalsozialistisches Gedankengut heißen würde. Doch wie reagiert eine Schwarze Frau, wenn ihr der eigene Bruder sagt, dass er ein Kind mit ihrem weißen Freund nicht als Neffe oder Nichte anerkennen würde? Menschen, die wollen, dass ihre „Rasse“ erhalten bleibt und deswegen keine Kinder dulden, die aus Liebe entstehen, sind intolerant – end of story!
DER TOYBOY AUS DEM AUSLAND
Von weißer Seite werden wir mit anderen Problemen konfrontiert. Wir werden nicht mit unseren Eltern in Verbindung gebracht, weil sie sich stark von uns unterscheiden können – oder besser gesagt, wir von ihnen. Klingt nicht weiter schlimm. Doch wenn man im Krankenhaus in der Notaufnahme aus dem Zimmer der eigenen Mutter geworfen wird, weil man als Eindringling gilt, ist es weniger witzig. Auch als Sohn komisch beäugt zu werden, wenn angenehmes Gefühl. Im Kopf der Vorbeigehenden handelt es sich hierbei nicht um das eigene Fleisch und Blut, sondern um den Pfleger oder den aus einem fremden Land importierten Toyboy. Und nur in einer Familie mit multiethnischem Background kann es passieren, dass die weiße Oma während des Mittagessens Sätze wie „ein zweiter Hitler gehört her“, fallen lässt. Ohne Rücksicht darauf zu nehmen, dass dieser die eigene Enkelin nicht am Leben lassen würde. Erlebnisse wie diese oder kleinere Alltagsproblemchen verbinden uns miteinander. Eine Person mit zwei gleich aussehenden Elternteilen erlebt dies nicht so schnell.
#MIXEDGRLPROBLEMS
Die Chance, ausschließlich mit dem weißen Elternteil in einer weißen Familie aufzuwachsen, die nichts von Afrika, der Kultur, dem Leben als Schwarzer Mensch oder Dingen wie Haarpflege versteht, ist ebenfalls gegeben. Wer Glück hat, hat beide Elternteile und setzt sich schon früh mit diesen Themen auseinander. Wer weniger Glück hatte, versucht seine Kindheit und Jugend über zu verstehen, warum er/sie anderes behandelt wird und sucht nach Gleichgesinnten. Wer diese in Real Life nicht gleich findet, wird im Internet fündig. Denn unter den Hashtags #mixedgrlproblems, #mixedgirltag oder #mixedkids finden sich zahlreiche Accounts und Videos, die sich mit dem Leben als Zwischenden-Stühlen-Kind auseinandersetzen und durch die direkte Bezeichnung Hilfe und Identität bieten. Fragen wie, „Wie könnten meine Kinder aussehen?“oder „Wie sehe ich im Alter aus?“ klären sich so genauso schnell, wie Fragen zu der speziellen Haarstruktur oder der immer heller werdenden Haut.
EINFACH NUR SCHWARZ
Natürlich leuchtet es ein, dass es nicht das Ziel sein kann, zu spalten. Schwarz meint ja schließlich die Gemeinsamkeiten und sieht Schwarz und weiß nicht als Hautfarben. Daher ist es für viele ein Problem meiner Argumentation zu folgen. Sogar Rassismus wird hierbei unterstellt, wenn man beginnt, Menschen in seine Einzelteile zu dividieren. Auch erscheint es weniger sinnvoll, in weiterer Folge jede Art der „Mischung“ zu berechnen und Menschen in Kategorien einzuteilen. Da wären wir den Nationalsozialisten ähnlich. Gegen eine Eigenbezeichnung von jemandem, der seine Erlebnisse mit einer Gruppe teilen will, kann man jedoch wenig einwenden.
Ebenfalls wird in der Debatte oft angeführt, dass es in Österreich und Deutschland bereits Begriffe gibt, die dies aufgreifen sollen. Die selbstgewählten und auch wichtigen Begriffe Afrodeutsche und Afroösterreicher, sollen Ausdrücken beide Kulturen miteinander zu vereinen. Problem dabei in diesem Zusammenhang ist es, dass dies jedoch wieder keine Bezeichnung ist, die Menschen mit einem Schwarzen und einem weißen Elternteil beschreibt, da am Ende jeder der in beiden Kulturen aufwächst/lebt, so bezeichnet werden kann. Es ist ein Hilfsbegriff dafür, jedoch kein Begriff, der den Anderen völlig ersetzen kann. Zumindest nicht in Österreich, wo ein breiter, ständiger Dialog über solche Begriffe fehlt und es keine Organisation, wie die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) gibt. Zu argumentieren, dass die Suche nach einem Begriff und der Wunsch der Eigenbezeichnung daher stammt, von einem weißen Umfeld geprägt worden zu sein, halte ich für problematisch. Damit argumentiert man in die Richtung, weshalb eine Bezeichnung gesucht wird, da man wiederum beginnt, diese Menschen als nicht gleichberechtigt Schwarz anzuerkennen. Man versucht wieder jemanden für einen Umstand zu bestrafen, für den er/sie nichts kann. Wenn jemand Schwarz ist, ist er/sie es unabhängig von seiner Einstellung – alles andere endet im Rosinen rauspicken.
ICH ENTSCHEIDE SELBST
Viele dieser Kinder werden sich trotz allem als Schwarz definieren – und das ist gut so. Dennoch muss es die Möglichkeit zur Selbstbezeichnung geben. Wenn jemand seine/ihre Eigendefinition auf beiden Elternteilen aufbauen will, soll er/sie dies tun dürfen. Die Eigenbezeichnung muss nicht immer damit übereinstimmen, wie man von der Gesellschaft gesehen wird – das würde ihr noch mehr Macht geben. Ich selbst bezeichnete mich lange als „Mischling“. Meine Familie verwendete diesen Begriff stets positiv – und unreflektiert. Da der Mensch auch nur ein Tier für mich ist, war mir der Vergleich mit Hunden völlig egal- abgesehen von der Sache mit der „Rasse“ natürlich. Aber das ist Teil einer anderen Diskussion. Kritisch wurde es erst, als ich die Geschichte dieses Wortes im Nationalsozialismus entdeckte. Das ist ein No-Go. Trotzdem verwende ich ihn heute noch manchmal provokant, um aufzuzeigen, dass es keinen politisch korrekten Begriff für jemanden wie mich gibt. Denn „Mulatte“, „Half-Cast“ und „mixed race“ sind auch keine Optionen.
Wir verwenden an dieser Stelle „mixed“, um über dieses Thema sprechen zu können, da es sich in einer 2014 Diplomarbeit als beliebteste Eigenbezeichnung herausstellte. Doch ist uns klar, dass das in Amerika unproblematische, aber bei uns absolut inakzeptable Wort „race“ dazwischensteht. Weil es kein Wort dafür gibt, wird dieses Thema gerne totgeschwiegen. Es existiert nicht. „Ihr seid einfach nur Schwarz“ hört man bei Diskussionen. Ja, schon – aber eben nicht nur. Eine großflächige Diskussion über einen geeigneten Begriff – für die die genau diesen Suchen – wäre uns daher lieber. Es geht um die Möglichkeit einer Eigenbezeichnung, nicht um einen Zwang!
Dieser Text erschien in der fresh – Black Austrian Lifestyle Ausgabe #SHADES