Rebecca Horner: Vom Kinderstar zur Ballett-Solistin

„Ah schau…da ist die Opa-Opa-Opapa!“, hörte ich als Kind ständig – egal ob beim Zug oder am Weg zur Schule. Als ich dann vor zwei Jahren die Chance bekam, die Frau zu treffen, die  für die vielen Verwechslungen verantwortlich war, ergriff ich die Gelegenheit und fragte sie schamlos aus.

Da sie vergangenen Sonntag von der Wiener Staatsoper von einer Halb-Solistin zur Solistin befördert wurde, habe ich das Coverinterview der fresh Frühlingsausgabe 2015 wieder ausgegraben.

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„Ich war ein ganz normales Kind“

Kinderstar, Balletttänzerin, Mutter – Rebecca Horner hat im Laufe ihres Lebens schon viele Aufgaben gemeistert. Erst kürzlich war die 26-jährige Wienerin mit Vorfahren aus Jamaika in dem gefeierten Stück „Josephs Legende“ an der Wiener Staatsoper zu sehen. Für fresherinnert sie sich an ihre Zeit mit Otto Schenk, den frühen Ruhm und an ihre harte Kindheit in der Ballettschule, zurück.
Fotos: Philipp Horak, Interview: Vanessa Spanbauer & Elisabeth Taruvinga Mtasa

Du hast die kleine Samantha in den Filmen „Mein Opa ist der Beste“ und „Mein Opa und die 13 Stühle“ gespielt. Wie bist du zu dieser Rolle gekommen?
Ich war im Tanzforum – heute Performing Center Austria – im Kinderballett, weil ich immer schon gerne getanzt habe. Eines Tages wurde meine Mutter von einer Agentur angesprochen, weil sie ein Mädchen mit dunkler Haut gesucht haben. Eigentlich wollten sie ein achtjähriges Mädchen – ich war erst sechs. Am Ende haben sie mich dennoch genommen. Da ich nichts zu verlieren hatte, wollte ich es unbedingt probieren.

Wie bist du als Kind mit dem Ruhm umgegangen?
Mir war zuerst gar nicht bewusst, dass mich Leute erkennen. Ich wollte ganz normal in die Schule gehen und mit meinen Freunden Zeit verbringen. Ich war teilweise überfordert, wenn mich Leute angesprochen haben, die ich noch nie gesehen habe. Aber im Allgemeinen hatte ich eine wunderschöne normale Kindheit.

Generell gibt es ja keine politisch korrekte Bezeichnung für Menschen, die Schwarze und Weiße Eltern haben. Wie bezeichnest du dich selbst, oder spielt das für dich keine Rolle?
Das war bei mir nie ein Thema. Klar, in der Pubertät kommt vielleicht ein Moment, wo man sich fragt „Bin ich anders?“ Dann muss man für sich selbst entscheiden, wie man damit umgeht. Entweder man steht dazu, anders zu sein – oder man fühlt sich wie alle anderen auch.

Einige Kinder wurden wegen des Films mit dir verwechselt. War dir klar, dass du eine der Ersten und somit Vorreiterin im österreichischen Fernsehen warst?
War das so? Das war mir überhaupt nicht bewusst! Ich hab darüber noch nie nachgedacht, aber wenn das so war, ist es eine Ehre (lacht).

Hast du noch Kontakt zu deinem Film-Opa Otto Schenk?
Nein. Ich hatte generell keinen Kontakt zu ihm außerhalb der Filme. Ich wurde allerdings zu seinem 70. Geburtstag eingeladen. Es war an der Josefstadt und wurde mit einem kleinen Interview verbunden. Das war ganz nett.

Was denkst du heute, wenn du die Filme siehst?
Ich finde sie lustig. Es gab eine Zeit, da war mir das wahnsinnig unangenehm. Ich habe zirka 12 Jahre gebraucht bis es okay für mich war. Als ich mit Ballett begonnen habe, war das kein Thema mehr für mich. Erst mit achtzehn habe ich mir die Filme wieder angesehen. Sie waren mir peinlich und ich habe versucht, das Ganze zu vergessen. Jetzt verstehe ich gar nicht mehr warum. Das war unsinnig, denn es war eine schöne Zeit!

Schauspiel und Ballett sind ja zwei verschiedene Dinge. Warst du schon immer davon überzeugt, Balletttänzerin zu werden oder wärst du auch gern bei der Schauspielerei geblieben?
Ich kann mich ziemlich gut an den Moment erinnern, an dem ich mich zu Ballett entschlossen habe. Ich war 10 und an einem anderen Gymnasium angemeldet. Dann kam mir die Idee, an der Ballettschule vorzutanzen. Meine Mutter hat sich über diesen Geistesblitz sehr gewundert. Ich hatte nicht damit gerechnet, genommen zu werden. Ich wusste, es wird schwierig, aber ich war fest entschlossen. Für die Schauspielerei oder Moderation fehlte mir der Ehrgeiz. Mir wurde klar, dass mein Interesse an Ballett viel stärker war. Ganz ausgeschlossen habe ich es nie, wieder zum Film zurückzukehren – bis jetzt hatte ich aber noch keine Lust darauf.

Seit 2007 bist du bei der Wiener Staatsoper dabei, im selben Jahr hast du saturiert und deine Ballettausbildung abgeschlossen. Ging das nicht alles sehr schnell?
Es gab keine Zeit, darüber nachzudenken. Der Tagesablauf stand fest. Um 6.20 Uhr hieß es aufstehen, dann hatte ich ab 8 Uhr den ganzen Vormittag lang Balletttraining und von 14 bis 18 Uhr die normale Schule. Da fällt der Matura- und Abschlussstress nicht mehr wirklich auf. Ich hatte das große Glück, dass ich gleich nach der Schule beim Wiener Staatsballett engagiert wurde. Andere müssen herumreisen und an vielen Orten vortanzen.

Wie aufgeregt warst du bei deinem ersten Auftritt?
An meinen allerersten Auftritt kann ich mich nicht erinnern – da war ich zu klein. Die erste große Sache, an die ich mich erinnere, war eine Ballettschulenmatinee. Wir hatten zwei Mal im Jahr Aufführungen in der Staatsoper. Das war groß für mich. Ich bin mir sicher, dass ich wahnsinnig nervös war. Ich bin heute noch irrsinnig aufgeregt. Der Moment, bevor man auf dieBühne geht, ist die Hölle – da könnte ich die Wände hochklettern!

Wie fühlst du dich heute, wenn der Vorhang aufgeht – beachtest du das Publikum?
Mir ist bewusst, dass das Publikum da ist und das ist sehr wichtig. Ich versuche die Zuschauer anzusprechen und zu fesseln. Das erreiche ich nicht, wenn ich sie ausblende. Es ist ein schönes Gefühl – diese Aufregung macht mich glücklich.

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Sind Schwarze Balletttänzer/innen gefragt?
In Mitteleuropa ist es eher schwierig. Wenn man nach England blickt, gibt es viele und in den USA sowieso. Bei uns ist es eher ein heikles Thema. Ich kenne ehrlich gesagt nicht viele. Die Frage ist, ob sich Schwarze weniger trauen, diesen Weg einzuschlagen, oder ob sie generell nicht gefragt sind.

Klassisch bringt man Ballett eher mit osteuropäischen Tänzer/innen in Verbindung. Würdest du dir da mehr Vielfalt wünschen?
Klar wäre das wunderschön. Eigentlich ist es schade, dass man darüber nachdenken muss. Die derzeitigen Entwicklungen am American Ballet Theatre finde ich spannend. Denn dort wurde eine Schwarze Tänzerin zur Solistin. Sie tanzt Schwanensee – also ganz klassisch. Das ist ein wichtiger Schritt.

Wie oft trainierst du und was ist besonders wichtig, damit man immer eine gute Leistung bringt?
Wir haben Montag bis Freitag täglich Training – oft auch Samstags. Es dauert zwischen 1 Stunde und 1 Stunde 20. Danach sind wir fast den ganzen Tag in den Proben. Das Training sollte zum Aufwärmen sein, denn alle wichtigen Dinge hat man ohnehin in der Ballettschule gelernt. Das Proben ist wichtiger, denn damit geht man dann auf die Bühne. Wir proben mehrere Stücke parallel – klassisch wie modern. Es ist hart.

In welchem Stück kann man dich derzeit bewundern?
Ich bin kürzlich wieder an die Staatsoper gewechselt und weiß noch nicht genau, was mich alles erwartet. Die letzten drei Jahre habe ich an der Volksoper getanzt. Mein letztes Stück war Josephs Legende. Das habe ich im Februar getanzt. Jetzt folgt Schwanensee und die Ballett-Hommage – ein gemischter Abend.

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Gibt es für dich eine Traumrolle?
In „Josephs Legende“ habe ich die weibliche Hauptrolle getanzt – das war schon eine Art Traum. Besonders weil es eine Premiere war. Das Stück wurde in den 70ern für das Wiener Staatsopernballett geschrieben, auch damals hatte eine Schwarze Tänzerin die Hauptrolle. Es ist ein neoklassisches Stück – nicht klassisch, aber auch nicht zu abstrakt. Ich denke, dass ich mich mit diesem Stil gut ausdrücken kann – ohne Tütü und Spitzenschuhe und mit einer offeneren Choreografie. Da sind weniger Schranken für eine eigene Interpretation gesetzt. Natürlich tanze ich, weil ich es ästhetisch und schön finde. Etwas nur der Schönheit wegen zu tun, ist mir allerdings mittlerweile zu wenig. Ich will, dass meine Performance etwas im Publikum auslöst.

Privat bist du mit dem Choreografen und Balletttänzer Andrey Kaydanovskiy zusammen – klingt nach einem Power-Paar. Wie sieht euer Alltag aus?
Stress pur! Aber wenn’s sein muss, dann funktioniert alles. Wir stehen gemeinsam auf, frühstücken. Er bringt unsere Tochter in den Kindergarten und ich hole sie nach der Arbeit ab. Es klappt. Gott sei Dank geht sie gerne in den Kindergarten (lacht). Und wir haben viele nette Freunde und Familie, die uns unterstützen. Besonders wenn wir beide Vorstellung haben.

Was würdest du tun, wenn deine Tochter ebenfalls eine Karriere in der Öffentlichkeit anstrebt?
Wir wollen ihr alle Türen offen lassen. In eine Richtung pushen werden wir sie ganz sicher nie. Sie soll viele Dinge ausprobieren, damit sie weiß, was sie interessiert. Wenn sie etwas von Herzen will, soll sie die Möglichkeit bekommen. Falls es wie bei uns Ballett sein sollte, werden wir ihr sagen, dass es sehr hart ist und sie es wirklich wollen muss. Egal was es wird, wir werden sie auf jeden Fall unterstützen!

Dieses Interview erschien zuerst in der fresh – Black Austrian Lifestyle Frühlingsausgabe 2015 

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