Als ich gefragt wurde, ob ich eines der Testimonials für das neue Frauenvolksbegehren sein möchte, habe ich etwas gezögert. Die Forderungen waren zu diesem Zeitpunkt noch streng geheim und ich wollte auf keinen Fall die nicht-weiße „für die Quote“ werden.
Nach einigen Tagen Bedenkzeit habe ich mich allerdings trotzdem dafür entschieden, weil Feminismus nicht allein weiß bleiben darf. Und manchmal braucht es leider Quoten um Veränderungen möglich zu machen.

(c) http://frauenvolksbegehren.at/testimonials/
Warum das Frauenvolksbegehren 2.0 nur der Anfang sein kann
Letzte Woche wurde das Frauenvolksbegehren 2.0 vorgestellt. 20 Jahre nach dem ersten Versuch stehen 15 neue Forderungen auf dem Plan – diese können allerdings nur den Beginn einer Veränderung anzeigen.
Die 15 Forderungen des Frauenvolksbegehren 2.0 klingen auf den ersten Blick wirklich nicht schlecht und gut durchdacht. Aufwachsen ohne Geschlechter-Stereotypen, kein unnötiger Sexismus in Werbungen, Mindestlohn, Schließung der Gehaltsschere, mehr Geld für Frauenhäuser und kostenlose Verhütung sind nur Teile davon.
Alle 15 findet ihr hier – http://frauenvolksbegehren.at/forderungen/
Auch, dass asylsuchenden Frauen mehr Unterstützung geboten werden soll, freut uns. Bessere Beratung und die Möglichkeit auch unabhängig vom Ehemann einer Beschäftigung nachgehen zu können, würde vielen Frauen neue Möglichkeiten und Chancen geben.
Über die Arbeitszeitverkürzung in Verknüpfung mit dem Mindestlohn kann und wird man in der Politik sicher streiten. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit sollte allerdings schon lange eine Selbstverständlichkeit sein. Dennoch könnte diese Forderung bei den Personen, die aufgrund ihrer Herkunft nicht einmal einen annähernd fair bezahlten Job finden, auf ein Lächeln stoßen. Ähnliches denkt man sich bei einer 50%igen Frauenquote in Gremien und politischen Ämtern. Das ist zwar eine gute Sache, bildet die Bevölkerung schließlich aber immer noch nicht ab. Diversität ist hier auf allen Ebenen gefragt.
Teresa Havlicek, Initiatorin des Frauenvolksbegehrens 2.0, erklärt,
Uns war es wichtig, darauf einzugehen, dass Frauen nicht nur wegen ihres Geschlechts diskriminiert werden. Wir haben versucht mit vielen Vereinen Kontakt aufzunehmen, die uns ihre Inputs gegeben haben. Das spiegelt sich zum Beispiel im Bereich der Pflegearbeit oder beim Thema der asylsuchenden Frauen wider.

Teresa Havlicek, (c) Kristina Satori
Klingt spitze! Wo stecken also die weiteren Anti-Diskriminierungs-Forderungen? Nicht nur die Gleichstellung zwischen Mann und Frau ist wichtig, auch die Lücken in den eigenen Reihen müssen geschlossen werden. Wie können wir für Gleichberechtigung kämpfen, wenn auch zwischen uns Frauen Unterschiede gemacht werden? Frauen mit Migrationshintergrund oder einer anderen Hautfarbe haben es oft noch schwerer, als ihre Mitbürgerinnen und müssen härter für die gleiche Anerkennung kämpfen.
Rassismus und Diskriminierung sind auch innerhalb einer feministischen Bewegung möglich und zeigen, dass viele Frauen, ob sie wollen oder nicht, gewisse Privilegien nutzen. Hier ist es wichtig, anderen benachteiligten Frauen eine Stimme, eine Plattform, einen Platz auf der eigenen Bühne zu geben.
Ganz klar denken wir dabei an die mühselige Kopftuchdebatte, bei der aber leider immer nur genau die Menschen diskutieren, die es selbst gar nicht betrifft. Sollten wir uns als Frauen nicht alle gegenseitig empowern und für Emanzipation kämpfen? Selbstbestimmtheit bedeutet für viele das „Nein“ zum Kopftuch, doch was, wenn die Kopftuchträgerin selbst darüber bestimmen möchte, was sie auf dem Kopf trägt?
Und wann gewinnen die Belange aller transgender Frauen in Österreich gleichermaßen an Wichtigkeit? Auch diese Gruppe kämpft mit Mehrfachdiskriminierungen und sollte dringend besser in unsere Gesellschaft integriert werden.

Das Podium bei der Pressekonferenz (c) Christopher Glanzl
Natürlich können weiße Frauen, die vorrangig und meistens ausschließlich bei Feminismusdebatten anwesend sind, nicht alles lösen und bedenken. Alleine kann der Feminismus diese Belange ohnehin nicht lösen, da müssen natürlich auch die Männer einbezogen werden. Deshalb sind wir selbst gefragt, uns in diese Diskussionen einzubringen und gewissen Input zu liefern, um einen Austausch zu ermöglichen. Wir sollten uns jetzt beteiligen, denn nur jammern hilft wenig!
Wir wünschen uns daher, dass nach und während dem Frauenvolksbegehren 2.0 ein weitläufiger Diskurs über Diskriminierung ALLER Frauen – nicht nur über die derer, die sowieso schon gewisse Privilegien genießen – entsteht.
Um das zu ermöglichen solltet ihr mitarbeiten und eure Ideen einbringen, denn die Website bietet die Chance dazu. Es ist der Beginn. Ein guter Anfang, aber eben nur ein Anfang.
Unterstützen könnt ihr das Ganze unter http://frauenvolksbegehren.at
VON VANESSA SPANBAUER UND TERISHA HARRIS
Zuerst erschienen auf http://freshzine.at/2017/05/05/warum-das-frauenvolksbegehren-2-0-nur-der-anfang-sein-kann/